Die Trommler vom FSV, die keine Indianer sind
1994 stieg der FSV Zwickau (NOFV-Oberliga-Meister, Staffel Süd) in die 2. Bundesliga auf. Gespielt wurde damals noch im altehrwürdigen Westsachsenstadion. Das Spielfeld und der außerhalb liegende Umkleidetrakt waren durch einen etwa 80m langen Tunnel miteinander verbunden. Dieser musste von den Mannschafften durchschritten werden, ehe sie das Spielfeld erreichten. Geschäftsführer Horst Göhler war von der Idee besessen, diesen einzigartigen Augenblick des Erscheinens im Innenraum mit einer markanten Musik zu untersetzen, um den Gegner zusätzlich zu beeindrucken. Eine unverwechselbare FSV typische Einlaufmusik musste her.
Edel-Fan "Hugo" bekam Wind von der Sache und wandte sich an uns im Jugendclub in der Hauptstaße. Ich wusste, dass im Stadttheater zu Schillers "Räuber" eine ganz besondere Umbau-Musik eingesetzt wurde, die von Bernd Kotzok über das Komunale Kino seine zusätzliche Verbreitung fand. Es handelte sich um die französische Musik- und Performance-Gruppe LES TAMBOURS DU BRONX, über die der STERN damals schrieb: "Sie machen einen Höllenlärm. Die Tambours du Bronx erzeugen eine Sorte Musik, wie sie nur moderne Stadtindianer erfinden können: lautes Trommeln, aggressiv, mächtig, hypnotisch, dazu monotoner Chorgesang. Als hätten die Maschinen eines Stahlwerks plötzlich beschlossen, sich zu einem Orchester zusammenzutun. Schockierend." In Nevers haben die TAMBOURS DU BRONX ein Kulturzentrum gegründet, eine Firma, an der sie alle gleiche Anteile haben. Sie geben in den Vorstädten Trommel- und Schlagzeugunterricht, wenn sie nicht gerade auf Tournee sind und auf Ölfässern rumdreschen. Und die TAMBOURS DU BRONX sind auch nicht irgendwie französisch, ihre Botschaft ist eindeutig und universal: Industrieller, eisenharter Rock n’Roll. Das passte gut in die Westsachsenmetropole.
"Wir haben damals dem FSV-Geschäftsführer das Album "Monostress 225L" vorgespielt, der sofort total begeistert war." Schnell wurde sich auf den Titel 'Locomotiv' geeinigt, bei dem die 22 verwegenen Gestalten mit ihren aus speziellen Ölfässern angefertigten Riesentrommeln, das Anfahren einer Dampflokomotive martialisch so eindrucksvoll umsetzen, dass jede Hifi-Anlage zu explodieren droht. "Und genau das war das Problem. Da im Stadion ein Großteil der maroden Sitz- und Stehbereiche durch Baugerüste stabilisiert werden musste, empfanden wir gemeinsam den rhythmische Sound für die Statik dann doch zu gefährlich. Und so fiel die Wahl auf den viel 'seichteren' Ausweichtitel HEYA."
Der FSV hatte (s)eine unverwechselbare und typische Einlaufmusik. An dieser Stelle sei also gern noch einmal darauf hingewiesen. Das sind keine Indianer, keine Mönche aus einem Kloster und auch nicht die berühmten japanischen Kodo Trommler. Es sind die französichen "Les Tambours Du Bronx", die Arbeiter und Punks in typischem Vorstadt-Leder-Outfit aus Nevers, die klotzen statt kleckern und somit voll und ganz der westsächsichen Fußballästhetik entsprechen.
Detlef Bergmann
HEYA FSV-Mixdown Video (Wishbone Ash Penalty-Version, 1994/2022)
Les Tambours du Bronx (Wikipedia)
Videos von den Tambours für den ultimativen "Soundbar-Test"
Les Tambours Du Bronx - EXTREME - MCNN 2015
LES TAMBOURS DU BRONX - NO CONTROL
Les Tambours Du Bronx - DELIRIUM
LES TAMBOURS DU BRONX - TEMPETE
LES TAMBOURS DU BRONX * Heya-Mix*
Gänsehautsound