Karussell mit zwei Stunden live Musik aus vier Jahrzehnten
Für viele trat damals (1976) Karussell das musikalische Renft-Erbe an. Auch weil kurz zuvor die Klaus-Renft-Combo verboten worden war sowie ehemalige Renft-Mitglieder zu der aus der Leipziger Gruppe Fusion entstandenem Konglomerat gewechselt waren. Geblieben aus der Urformation sind heute Wolf-Rüdiger Raschke (key) und Reinhard „Oschek“ Huth (voc, g) und der grandiose Cesar-Titel „Wer die Rose ehrt“. Geblieben sind vor allem die lied- und balladenhaften wie melodiebetonten Stücke, die durch neue ebensolche Zuwachs bekommen haben.
Zu hören waren diese jüngst in der Kulturkirche St. Barbara in Lichtentanne. Dass Karussell weithin beliebt ist, zeigte sich schon daran, dass Autos mit Kennzechen aus Ostthüringen, dem Erzgebirge, Vogtland und dem Leipziger Land einen Parkplatz gefunden hatten. „Schön, dass die altbekannten DDR-Bands nunmehr in zweiter Generation fortleben“, fasste Thilo aus St. Egidien zusammen, was das Publikums am Samstagabend des 12. Aprils im prall gefüllten Saal überwiegend dachte.
Karussell kann, auch wenn sie einige Jahre Pause gemacht haben, durchaus zu den Ostrocklegenden gezählt werden. Joe Raschke (Sohn von Wolf-Rüdiger) sieht´s wie seine Mitglieder nicht ganz so, nimmt das „Legendenkompliment“ aber gern entgegen und ergänzt: „Zumindest sind einige unserer Lieder in diese Kategorie einzuordnen.“
Dazu zählt zweifelsohne „Als ich fortging“. Regelrechten Jubel gab´s dazu, obwohl der Titel lediglich instrumental als Intro des Abends und Betreten der Band auf die Bühne angespielt wurde – und im Laufe des Konzerts natürlich noch in vollem Umfang erklang und lautstark mitintoniert wurde. Nach „Entweder oder“ folgten erste Titel des 2024 erschienen Albums „Unter den Sternen“, die teils ebenso ausreichend bekannt waren, so dass kräftig mitgesummt und -gesungen wurde. Joe Raschke zeigte sich begeistert: „Wer Begeisterung bei neuen Titeln zeigt, der bekommt auch alte wieder aufs Oh!“ Dem folgte ein Querschnitt des dreißigjährigen Schaffens.
Joe Raschke gewann nicht nur mit seiner klaren tiefen Stimme das Publikum für sich, sondern auch in den blusigen Titeln mit der einst von Cesar gespielten Mundharmonika.
War einst bei Titeln wie Mc Donald, Fenster zu oder Das wahre Leben Das-zwischen-den-Zeilen-Lesen und -Hören noch nötig, zeigte sich bei Texten neueren Datums, dass einiges unmaskiert daherkommt, wie bei Schwarzes Theater: …Schwarzes Theater in unserer Welt. Wer führt hier die Regie? In diesem Spiel um Intrigen und Geld. Wird Zeit, dass der Vorhang fällt!... oder in Wenn´s darum geht: … Was sie mit uns spielen, heißt Katz´ und Maus…Schon während des Vortrags und umso intensiver danach gab´s tosenden Staccato-Applaus, zustimmendes Pfeifen und Genauso!-Rufe.
Der mehrfache Auftritt von Gitarrist Moritz Pachale wird vom Rund gefeiert, er wird zum „Carlos Santana aus Leipzig“ geadelt. Das Rund nutzte zudem mehrmals die Gelegenheit, sich bei „Ehrlich will ich bleiben“, der „Rose“ oder „Fischlein“ als Backgroundchor oder solistisch in Szene zu setzen. Ein Konzertabend mit ein bisschen Ostalgie und mit einem gehörigen Pfiff von Wahrheit und Ehrlichkeit.
Fotos: uhe